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Je länger ich das Phänomen der menschlichen Kreativität untersuche, umso rätselhafter erscheint es mir. Der gesamte Prozess der Innovation ist schwer zu fassen, aber das Verständnis ist für uns entscheidend. Wenn wir in diesem Bestreben versagen, sind die Denkmaschinen dem Untergang geweiht.
Erasmus, Labornotizen
Als Norma Cevnas begeisterter Brief ihn schließlich erreichte, verlor Aurelius Venport keine Zeit, eines seiner Handelsschiffe für einen Sonderflug nach Poritrin umzuleiten. Trotz der Tatsache, dass seine Stellung als Direktor von VenKee Enterprises seine Zeit mit vielen Verpflichtungen ausfüllte, wünschte er sich nichts sehnlicher, als seine liebe Freundin Norma wiedersehen. Er hatte schon immer eine Schwäche für sie gehabt, und es war Jahre her ... zu viele Jahre.
Norma war in der Lage, Venport mit offenem und ehrlichem Blick anders zu sehen als andere, ohne seine politischen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Verbindungen. Ständig wollten die Menschen etwas von VenKee Enterprises, suchten einen persönlichen Vorteil zu gewinnen. Dagegen hatte die kleinwüchsige, reizlos wirkende Tochter von Zufa Cevna ihm immer wahre Freundschaft angeboten, etwas, an dem im Leben des Händlers ein schmerzlicher Mangel herrschte.
Außerdem war er der ermüdenden juristischen Maßnahmen überdrüssig, die Lord Bludd weiterhin gegen VenKee in die Wege leitete. Er forderte den Gewinn aus seinen Leuchtglobengeschäften und versuchte das Vermögen der Firma einzufrieren. Es waren lächerliche Forderungen, aber noch bestand die Möglichkeit, dass der Aristokrat von Poritrin sich vor Gericht durchsetzte. Die Angelegenheit durch die Instanzen weiterzuverfolgen konnte sich als schwere finanzielle Belastung für VenKee erweisen. Also hatte Venport um ein Treffen mit Lord Bludd in Starda gebeten, bei dem er einen Kompromiss aushandeln wollte.
Doch zuerst wollte er Norma treffen.
Früher, als sie Tio Holtzmans Goldesel gewesen war, hatte sie ihre eigenen, geräumigen Laboratorien und Arbeitsräume innerhalb des Anwesens des Weisen auf dem Felsturm gehabt. Doch er hatte sie rücksichtslos ausgebeutet und ihre Ideen und Entdeckungen gestohlen. Und als sich die arme Norma in esoterischen Forschungen verirrte, die nicht mehr mit befriedigender Häufigkeit verwertbare Resultate erzielten, hatte Holtzman sie in ein minderwertiges Viertel in den Schlammebenen des Flusses Isana verbannt.
Selbst nach einem Vierteljahrhundert auf Poritrin hatte sie lediglich eine vorläufige Aufenthaltserlaubnis, die jederzeit widerrufen werden konnte. Warum behielt Holtzman sie in seinen Diensten? Wahrscheinlich, um einen legalen Anspruch auf alles zu haben, das sie entwickelte, während sie unter seiner Schirmherrschaft stand.
Auf der anderen Seite des Deltas wurden von den Fabriken und gigantischen Schiffswerften die letzten Bauteile der gewaltigen neuen Flotte in den Himmel geschossen, damit sie im Orbit über Poritrin zusammengebaut werden konnten. Die Luft roch nach Rauch und Metall und hallte von einem Lärm wider, der es Norma unmöglich machen musste, sich zu konzentrieren. Venport fragte sich, wie sie hier irgendetwas vollbracht haben konnte.
Venport stand im Eingang zu Normas Quartier und Arbeitsplatz. Er blickte über die stinkenden Schlammebenen, nahm all die feinen Hinweise auf, wie tief sie gefallen war, Dinge, die sie wahrscheinlich niemals wahrnahm. Er schüttelte den Kopf, angewidert und verärgert darüber, wie Holtzman dieses nette Mädchen behandelte. Mädchen? Wieder schüttelte er den Kopf. Inzwischen war Norma über vierzig Jahre alt.
Er stand im brütenden Sonnenlicht und drückte auf die Klingel. Nach den Traditionen von Poritrin erwartete er, dass ihm ein buddhislamischer Sklave öffnen würde, dann erinnerte er sich, dass Norma nichts von Zwangsarbeit hielt.
In ihrem letzten Brief hatte sie begeistert von einer neuen Theorie geschrieben, die sie nach jahrelangen Mühen und Sackgassen entwickelt hatte. Er lächelte liebevoll, als er an ihre überbordende Intelligenz dachte. In ihre unergründlichen Gedanken versunken war Normas krakelige Handschrift immer schlechter geworden, als wäre ihr Geist ihrer Hand weit vorausgeeilt.
Venport hatte die mathematischen Ableitungen und technischen Erläuterungen übersprungen, die demonstrierten, wie sich der Holtzman-Effekt modifizieren ließ, dass der Raum verzerrt wurde. Er hatte keinen Zweifel, dass ihre Gedankengänge korrekt waren, doch als Händler war er stärker an der kommerziellen Verwertung und der Ausschaltung seiner geschäftlichen Konkurrenz interessiert als an den Einzelheiten der Funktionsweise des Produkts. Norma war stets brillant, doch selten praktisch.
Als nach längerer Zeit niemand zur Tür kam, klingelte er erneut. Venport wusste, dass Norma tief in ihre Welt aus Gleichungen und Symbolen eingetaucht war. Er fühlte sich schuldig, weil er sie störte, doch er sagte sich, dass er so lange wie nötig auf sie warten wollte.
Sie würde ihn nicht erwarten, obwohl die Ankunft eines VenKee-Schiffes öffentlich angekündigt worden war. Geschäftliche Verpflichtungen hatten ihn einen Monat länger als geplant auf Salusa festgehalten, und die Raumfahrt war so ermüdend langsam ...
Er hatte sofort auf den Enthusiasmus in ihrem Brief reagiert und auch Tuk Keedair, seinen Geschäftspartner im Melange-Handel, aufgefordert, sich mit ihnen auf Poritrin zu treffen. Der frühere Fleischhändler hatte ohnehin einiges in Starda zu erledigen, also konnte Venport eine zweite Meinung einholen – falls er sie benötigte.
Doch zuerst musste er in Normas Augen schauen, wenn sie über ihre Idee des gefalteten Raums sprach. Dann würde sein Instinkt ihm alles sagen, was er wissen musste. Er freute sich schon auf den Ausdruck des Entzückens und der Überraschung auf ihrem Gesicht.
Er wurde nicht enttäuscht. Als sie schließlich an der Tür stand und ins Sonnenlicht blinzelte, blickte sie zu ihm auf – und sein Herz wurde leicht vor Freude. »Norma!« Er umarmte sie, bevor sie ihn erkannte, und dann lachte sie und machte einen Luftsprung, um ihre Arme um seinen Hals zu werfen.
Das mausbraune Haar der kleinen Frau war ein vernachlässigtes Durcheinander, doch ihre Augen glänzten vor Überraschung. Sie sah älter aus, genauso wie er, obwohl der regelmäßige Konsum von Melange Venports Alterungsprozess dramatisch verlangsamt hatte.
»Aurelius, du hast meinen Brief erhalten! Du bist gekommen!«
Obwohl sie sich verändert hatte, erinnerte sich Venport an ihre vielen gemeinsamen Ausflüge in den Dschungel von Rossak, bei denen sie die silbrig-purpurne Vegetation erkundet hatten. Norma hatte ohne Punkt und Komma über ihre Ideen geredet, sich ihm anvertraut, und er hatte dafür gesorgt, dass ihre mathematischen Abhandlungen publiziert und vertrieben wurden. Als Holtzman sie eingeladen hatte, seine Forschungspartnerin zu werden, hatte Venport Normas Flug bezahlt. Zufa Cevna hatte immer behauptet, sie würden so gut miteinander auskommen, weil »Außenseiter die Gesellschaft von ihresgleichen genossen.«
Nun lächelte er und strich ihr übers Haar. »Ich kann es kaum erwarten, von deiner aufregenden neuen Entdeckung zu hören. Und ich muss mich auch um diesen Leuchtglobenstreit mit Lord Bludd kümmern.«
Sie führte ihn in ihr baufälliges Arbeitsgebäude, und er folgte ihr mit leichter Bestürzung. Im großen Raum sah es genauso chaotisch aus, wie er erwartet hatte. Überall lagen komplizierte Geräte herum. In einer Nische stand ein kleiner Tisch, der von Suspensorsesseln umgeben war, die in seltsamen Winkeln in der Luft schwebten. Dreckiges Geschirr, Pläne und Blätter mit Berechnungen bedeckten die Arbeitsfläche des Tisches, und Norma bemühte sich, das Durcheinander aufzuräumen, damit Venport Platz hatte. Als pflichtbewusster Freund und Gast half er ihr.
Als er einen Stapel juristischer Dokumente mit angedrohten Klagen fand, in denen sein Name erwähnt wurde, beschleunigte sich sein Puls. Sie waren an Norma adressiert und kamen von einem Anwalt, der Lord Bludd und Tio Holtzman vertrat. »Norma, was sind das für Schreiben?«
»Ich weiß es nicht«, sagte sie abwesend. Als sie einen Blick darauf warf, fügte sie hinzu: »Ach, das meinst du. Nichts von Bedeutung.«
»Sie wurden dir vor fast einem Jahr zugestellt. Darin droht man dir mit rechtlichen Schritten, wenn du Holtzmans Anstellung verlässt, insbesondere, wenn du für mich arbeiten solltest.«
»Ja, ja ... Ich vermute, ich war zu beschäftigt, um mich darum zu kümmern. Mein Projekt ist viel bedeutender als solche kleinlichen rechtlichen Angelegenheiten.«
»Norma, meine liebe, naive Norma, in der wirklichen Welt ist kein Projekt bedeutender als rechtliche Angelegenheiten.« Sein Gesicht rötete sich. »Du hättest diese Sache nicht so lange schleifen lassen dürfen. Ich werde mich darum kümmern.« Er klemmte sich die Papiere unter den Arm.
»Oh ja, danke.«
Venport lag sehr viel an Norma, er war wie ein großer Bruder, vielleicht sogar mehr. Ihre geringe Größe und körperlichen Mängel störten ihn nicht im Mindesten. Er hatte schließlich viele Jahre mit ihrer äußerlich perfekten Mutter verbracht, doch letzten Endes hatte sich Zufa als rücksichtslos, anmaßend und fordernd erwiesen – im Hinblick auf ihn, auf sich selbst und auf Menschen in ihrer Umgebung. Norma hingegen hatte viel mehr positive Eigenschaften als Defizite. Ihr Verstand war das Attraktivste an ihr, wie auch ihr freundliches, entgegenkommendes Wesen.
Venport sah sich um und bemerkte die veraltete Einrichtung, die billige Ausrüstung und die Enge. Es war eine Beleidigung dieser Frau, die so viele der wichtigsten Erfindungen des Weisen entwickelt hatte. Das Licht war schlecht, die Möbel waren abgenutzt, die Regale quollen über. Er würde bald etwas Besseres für sie finden. »Norma, ich weiß, du magst es nicht, Sklaven zu nutzen, aber ich werde zusehen, dass ich eine Haushälterin für dich beschaffen kann.«
»Ich bin zufrieden, solange ich arbeiten kann.«
Insgeheim fragte er sich, wie viel er Norma schuldete und wie fest er an sie glaubte. Mit geschlossenen Augen »horchte« er in seinen Körper, sein Herz, seine innersten Empfindungen. Die Antwort war klar.
Ich muss ihr helfen. Ganz gleich, ob ihr neues Raumfaltkonzept kommerzielles Potenzial hatte oder nicht, er versprach sich, dass er sie aus den Klauen dieses egoistischen Wissenschaftlers befreien würde ... selbst wenn es ihn teuer zu stehen käme.
* * *
Es kostete Aurelius Venport wenig Zeit, um festzustellen, dass er sowohl Lord Niko Bludd als auch Tio Holtzman verachtete.
In den Jahrzehnten, in denen er die Arzneimittel von Rossak entdeckt, entwickelt und vertrieben hatte – ein Geschäft, das er zu einem großen Handelsimperium ausgebaut hatte –, war es zu vielen Machtproben zwischen Venport und zähen Unterhändlern, unangenehmen Lieferanten oder sogar Schlägern aus hochoffiziellen Kreisen gekommen. Doch er hegte keinen Groll gegenüber legitimen Rivalen; er konnte sie verstehen und mit ihnen zu einer Einigung gelangen.
Aber er wusste auch, dass er sich auf sein Gefühl verlassen konnte, wenn er mit Menschen zu tun hatte, und sobald er in die Nähe von Bludd oder Holtzman kam, spürte er, wie sich alles in ihm sträubte. Der so genannte Weise war ein Schwindler, der seine Reputation allein auf dem Rücken anderer aufgebaut hatte. Lord Bludd schwelgte in Reichtum, aber nicht, um sein Vermächtnis zu begründen oder sich einen Platz in der Geschichte zu verdienen – für ihn war es ein Selbstzweck, Vermögen anzuhäufen und zu verschwenden.
Nichtsdestoweniger musste Venport eine Übereinkunft mit diesen Männer erzielen.
Als er sich einem langen Tisch näherte, in einem Raum voller Spiegel und facettierter Leuchtgloben – nicht autorisierte Nachbildungen, wie er bemerkte –, dachte Venport, dass dieser Konferenzraum eher wie ein Festsaal und nicht wie ein Sitzungszimmer für Geschäftsverhandlungen wirkte. Am Kopfende des Tisches saß der übergewichtige Lord Bludd, von üppigen Gewändern mit aufgebauschten Ärmeln überladen. Ein Kostüm, das unmöglich bequem sein konnte. Sein langes Haar war zu affektierten Ringellöckchen frisiert. Die Locken seines Bartes hatte man eingesprüht, damit sie den Anschein einer festen Skulptur aus drahtigem Haar erweckten.
Der Weise Holtzman trug steife und formelle weiße Roben zur Schau, doch schien er sich darin wohler zu fühlen als im praktischen Arbeitskittel, den ein wahrer Wissenschaftler getragen hätte. Andere Stühle waren von Ratsvertretern und Rechtsanwälten von Poritrin besetzt, die einen strengen und lauernden Eindruck machten.
Als er das Zimmer allein betrat, versuchte Venport die Profis einzuschätzen, die Poritrin gegen ihn aufgeboten hatte. Er seufzte schwer, als er sich setzte. »Lord Bludd, Weiser Holtzman, ich bin persönlich in einer Angelegenheit erschienen, die für Sie beide von Interesse ist. Ich möchte offen über mögliche Lösungen für unsere Auseinandersetzung diskutieren.« Er sah die Anwälte finster an. »Wenn Sie mir den Gefallen erweisen würden, diese zusätzlichen Ohren wegzuschicken, können wir uns wie Männer zusammensetzen und zu einer Übereinkunft gelangen.«
Die entrüsteten Anwälte richteten sich kerzengerade auf. Der Weise Holtzman schien verwirrt, sagte aber nichts. Lord Bludd war nicht einverstanden. »Das sind meine ausgesuchten Experten, Direktor Venport. Ich verlasse mich sehr auf ihr ...«
»Dann sollen sie das Abkommen prüfen, das wir vorschlagen – aber anschließend. Wenn Sie darauf bestehen, die Angelegenheit durch die offiziellen Kanäle zu leiten, wissen wir, dass sie sich jahrelang dahinschleppen und viel Geld kosten wird.« Er lächelte entwaffnend. »Würden Sie nicht lieber zuerst hören, was ich zu sagen habe?« Venport verschränkte die Arme und wartete. So machte er deutlich, dass er nicht die Absicht hatte, irgendwelche Verhandlungen aufzunehmen, bevor die juristische Armada den Rückzug angetreten hatte.
Der Adlige blickte zu seinen Ratgebern, die einen Chor von Äußerungen hervorstießen. »Mylord, wir raten dringend ab ...« – »Das ist höchst ungebührlich und verdächtig ...« – »Was versucht er vor uns zu verbergen ...?«
Lord Bludd entließ sie alle mit einem Fingerschnippen und verlangte dann nach Erfrischungen. Venport erwiderte den Blick des Aristokraten. Sie beide verstanden, dass sie hinter verschlossenen Türen viel schneller ans Ziel gelangen würden.
Holtzman räusperte sich und nahm ein paar Papiere zur Hand, die vor ihm auf dem Tisch lagen. »Bevor wir anfangen, Direktor Venport, möchte ich um Kenntnisnahme bitten, dass die Ansprüche von VenKee Enterprises völlig unbegründet sind.« Er reichte ihm eines der Schriftstücke. »Das hier ist eine Rechtsübertragung, die Norma unterzeichnet hat, als ich sie angestellt habe. Darin erkennt sie an, dass alle Ideen und Technologien, die sie entwickelt, während sie unter meiner Schirmherrschaft arbeitet, den Bürgern von Poritrin gehören, die damit tun können, was sie wollen. Sie hatte kein Recht, Ihnen ein außerordentlich wertvolles kommerzielles Patent zu überlassen.«
Venport studierte das Dokument und las die Worte, die er bereits gesehen hatte, als er auf Salusa Secundus Senator Hosten Fru bestochen hatte. Keine Überraschungen. Unbeeindruckt schob er das Dokument zurück.
»Ich bestreite nicht, dass Normas Unterschrift echt ist, Weiser Holtzman. Können Sie einen vergleichbaren Beweis erbringen, dass Norma der Zugang zu rechtlichem Beistand und professionellem Rat ermöglicht wurde, bevor sie dieses lächerliche Schriftstück unterzeichnet hat? Können Sie ebenso beweisen, dass sie im rechtlich zulässigen Alter war, eine solche Vereinbarung einzugehen? Nach meinen Aufzeichnungen – und die sind genau, da ich es war, der ihren Transport nach Poritrin arrangiert hat – war sie gerade erst fünfzehn Jahre alt, als sie von Rossak aufbrach.« Er klopfte mit den Fingerkuppen auf den Tisch. »Sagen Sie mir, Lord Bludd, ist das wirklich eine Angelegenheit, die Sie in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung der Liga dargelegt sehen wollen?«
Diener eilten herein, um das Mittagessen zu servieren, und Venport wartete, bis der Lärm und die Unterbrechung vorbei waren. Er wollte nicht, dass weitere Ohren das Gespräch mithörten, obwohl er überzeugt war, dass der Aristokrat von Poritrin jedes Wort aufzeichnen ließ – was wiederum vor jedem Gericht unzulässig war, da Venport einer solchen Überwachung nicht zugestimmt hatte.
»Meine Herren«, fuhr er fort. »Norma Cevna ist ein wertvolles Genie. Ich glaube nicht, dass Sie ihr den Respekt, die Mittel oder die Freiheit zukommen lassen, die sie verdient.«
»Norma lebt seit vielen Jahren von unserem guten Willen«, sagte Holtzman. »In den Jahrzehnten, die sie für uns gearbeitet hat, hat sie nichts Lohnendes vollendet seit ... seit ...« Er hob die Schultern. »Dazu müsste ich in meinen Aufzeichnungen nachsehen.«
»Das ist keine Überraschung, wenn man den skandalösen minderwertigen Arbeitsplatz in Betracht zieht, den Sie ihr zur Verfügung gestellt haben.«
»Doch zuvor hat sie ...«
»Genug gezankt«, unterbrach Lord Bludd die beiden. »Ungeachtet der Umstände wurde die entscheidende Grundlage für Ihre einträgliche Leuchtglobenindustrie hier auf Poritrin entwickelt. Mein eigenes Kapital ist in diese Forschung geflossen. VenKee Enterprises hat kein Anrecht auf den Gewinn.«
»Ich verstehe Ihre Basis für den Einspruch«, sagte Venport und achtete darauf, den leisesten beschwichtigenden Tonfall in seiner Stimme zu halten. »Ich bin bereit, einen bestimmten Anteil an VenKees Einkünften, die durch den Verkauf der Leuchtgloben erzielt werden, abzutreten.« Er hob den Finger, als sowohl Holtzman als auch Bludd mit freudiger Überraschung reagierten. »Unter der Bedingung, dass Norma von ihrer Verpflichtung befreit wird, für den Weisen Holtzman zu arbeiten.«
»Dem stimme ich gerne zu«, sagte Holtzman schnell, als müsste er sich zurückhalten, um nicht laut loszulachen.
Bludd warf ihm einen verärgerten Blick zu, weil er so leicht zugestimmt hatte, und sah dann Venport mit einem Stirnrunzeln an. »Und im Gegenzug sind Sie einverstanden, Ihre Einkünfte aus dem Verkauf der Leuchtgloben bis in alle Ewigkeit zu teilen?«
Venport seufzte. In Verhandlungen kamen solche extremen Bedingungen normalerweise nicht auf den Tisch. »Nicht bis in alle Ewigkeit«, erwiderte er in tadelndem Tonfall. Kein vernünftiger Mensch hätte so etwas auch nur vorgeschlagen. »Wir werden einen Zeitraum und einen Prozentsatz aushandeln.«
Und damit fing die wirkliche Arbeit an.
Venport wusste, dass er die naive und unschuldige Norma vor zukünftigen Verstrickungen mit diesen verschlagenen Männer schützen und sie von allen fruchtlosen Anstrengungen der Vergangenheit trennen musste. Er hatte bereits umfassende Berechnungen angestellt, wie viel ihn diese juristische Auseinandersetzung wahrscheinlich kosten würde. Der Gerichtshof der Liga würde sicherlich – geschmiert mit Geldern von der poritrinischen Adelsfamilie – einen »Kompromiss« durchsetzen, der Venport über einen langen Zeitraum erhebliche Kosten verursachen würde. Im Augenblick wollte er nur seine Einbußen so gering wie möglich halten und keine weitere Zeit verschwenden.
Nach stundenlanger Diskussion stimmte Venport schließlich zu, ein Drittel seiner Einkünfte aus dem Leuchtglobengeschäft für die nächsten zwanzig Jahre an Poritrin abzutreten, während die andere Seite einwilligte, seinen Anspruch auf die Originalpatente anzuerkennen. Da sie wussten, wie viel Gewinn der weit verbreitete – und wachsende – Handel mit Leuchtgloben abwarf, waren Bludd und Holtzman überrascht. Offensichtlich betrachteten sie diese Sache als sofort verfügbare Geldquelle, für die sie nichts tun mussten, da Norma Cevna die Entwicklung bereits in vergangenen Jahren abgeschlossen hatte und Venport für die Produktionsanlagen aufgekommen war.
Zwei Jahrzehnte schienen eine lange Zeit, doch Venport dachte in größeren Dimensionen. Leuchtgloben würden über Jahrhunderte, vielleicht sogar Jahrtausende Verwendung finden. Vor diesem Hintergrund waren zwanzig Jahre ein lächerlicher Zeitraum. Ohne Zweifel würden sich Lord Bludds Nachkommen über den unvernünftigen Handel ärgern, den er hier und heute abgeschlossen hatte.
»Wie dem auch sei«, sagte Venport, während er sich vorbeugte und seine Stimme hart wurde, »eine Bedingung ist von nun an nicht mehr verhandelbar. In Zukunft werden Sie Norma Cevnas Recht, ein eigenes Labor aufzubauen, weder anzweifeln noch es ihr streitig machen. Und Sie werden Sie nicht davon abhalten, Forschungen zu betreiben, deren Richtung sie allein bestimmt.«
Holtzman schnaufte. »Solange ich nicht dafür zahlen muss ... Aber sie hat seit Jahren ohnehin nichts Brauchbares mehr produziert.«
Lord Bludd zupfte an seinem gelockten Bart. »Ich werde meine Anwälte veranlassen, eine Vereinbarung aufzusetzen, die konkret festhält, dass Norma alles behalten kann, was sie vom heutigen Tag an entwickelt.«
Venport nickte. Er ahnte bereits die großen Kosten dieses Handels, doch er hegte keine Zweifel mehr, denn er glaubte an Norma und hatte sie sehr gern. Dennoch war er unangenehm berührt von der Wahrheit in Holtzmans Worten. Norma hatte sich tatsächlich jahrelang auf ein Problem fixiert, das sich letztlich als fruchtlos erweisen konnte. Er verstand die Konsequenzen ihrer Gleichungen zur Raumfaltung nicht, doch als Geschäftsmann biss er die Zähne zusammen und erinnerte sich daran, wie viel Geld Norma ihm allein mit der Erfindung der Leuchtgloben verschafft hatte.
Er würde ein Vertrauen in sie setzen, das ihre Mutter nie gehabt hatte.
»Ich erwarte, dass diese Angelegenheit damit abgeschlossen ist«, sagte Lord Bludd.
Venport erhob sich, begierig darauf, den Wohnsitz des Adligen zu verlassen. Er wusste jedoch, dass die eigentlichen Schwierigkeiten gerade erst begannen.
* * *
Bei seiner Ankunft auf dem Raumhafen von Starda auf Poritrin wirkte Tuk Keedair frustriert und gestresst. Venport traf ihn dort und hörte zu, wie der tlulaxanische Geschäftsmann von den ständigen Sabotageakten und anderen Schwierigkeiten berichtete, die von einer Gruppe Gesetzloser auf Arrakis verursacht wurden. »Wie ich hörte, gibt es einen anderen Fleischhändler von Tlulaxa, der neu auf Poritrin eingetroffen ist und versucht, domestizierte Sklaven zu kaufen. Vielleicht kann ich ihn überreden, sich in diese Wüstenhölle zu begeben und diese Aufrührer und Banditen als Sklaven zusammenzutreiben.«
»Darüber würde sich niemand beschweren«, sagte Venport lächelnd. Dann erklärte er, woran Norma arbeitete und weshalb er darauf bestanden hatte, dass sein Geschäftspartner es mit eigenen Ohren hören sollte.
Als sie den Raumhafen verließen und in einem Bodenfahrzeug zu Normas Laboratorien am Fluss fuhren, war Keedair skeptisch, aber fasziniert. »Der Prototyp so eines Raumschiffes wird erheblich mehr kosten als ein paar Leuchtgloben, Aurelius – aber wenn sich diese Art von Raumfahrt mit abgekürzten Wegen als erfolgreich erweist, dann sind die Gewinnmöglichkeiten – schwindelerregend.« Genauso wie Venport wollte der Tlulaxa die genauen mathematischen Einzelheiten gar nicht wissen, nur, ob das Konzept funktionieren würde, wenn es entsprechend entwickelt war. Er strich über seinen langen Zopf, als würde er das stetige Wachstum seines Vermögen vorausahnen.
Venport nahm ihn am Arm. »Wenn das System möglich – und anwendbar – ist, könnten alle Waren in einem Bruchteil der Zeit geliefert werden. Gewürzladungen könnten schneller von Arrakis geliefert werden, als die Zensunni ernten können. Verderbliche Arzneimittel könnten in kürzester Zeit von Rossak zu den Märkten überall in der Liga gelangen. Kein anderer Händler wäre in der Lage, einen besseren Service anbieten.«
Sie überquerten einen knarrenden Steg und standen bald mit Norma im Laborgebäude. »Ich bitte um Verzeihung für den formlosen Empfang«, sagte sie. Venport hatte den Eindruck, dass sich die Unordnung auf den Tischen noch vergrößert hatte. »In ein paar Jahren werden wir an diesen Tag zurückdenken und uns an den bescheidenen Ort erinnern, wo wir erstmals das großartigste Konzept in der Geschichte der Raumfahrt besprochen haben.«
Keedair wirkte reserviert, vielleicht sogar misstrauisch. »Sie haben sonst niemandem von Ihrer Idee erzählt? Auch nicht dem Weisen Holtzman? Oder Lord Bludd?«
Norma schüttelte verlegen den Kopf. »Selbst der Weise Holtzman versteht seine eigene Mathematik nicht. ›Das Holtzman-Prinzip funktioniert eben‹, sagt er.« Ihre Stimme enthielt eine Spur traurigen Spotts. »Und ich möchte sicherstellen, dass dieses Projekt verwirklicht wird. Der Weise bringt seine großartigen Projekte nicht immer zu Ende. Manchmal ... verliert er im Dschungel der Gleichungen den Weg.« Sie trat ans Fenster und blickte über die Schiffswerften und Fabriken im Delta. »Er hat das letzte Jahr damit verbracht, Schiffshüllen im Orbit zu bauen. Irgendeine Idee von Primero Atreides ...«
»Ja, wir haben sie gesehen, als wir auf Poritrin angekommen sind«, sagte Venport. In den orbitalen Einflugschneisen wimmelte es von neuen Kriegsschiffen, die allmählich ein ernstes Navigationshindernis darstellten.
»Zu welchem Zweck werden leere Schiffshüllen gebaut?«, fragte Keedair verdutzt. »Kümmert sich jemand anderer um die Installation des mechanischen Innenlebens?«
Norma schien plötzlich nervös zu werden. »Das soll ein Geheimnis sein, und nur wenige Menschen kennen den Gesamtplan. Die Werftsklaven und die orbitalen Bauarbeiter sind nur mit der Montage der Hüllen beschäftigt, die dann anderswo zur Fertigstellung gebracht werden sollen. Niemand weiß, dass das alles ein gigantischer Bluff ist, ein Täuschungsmanöver.« Sie seufzte. »Die Hüllen bleiben leer. Sie treiben einfach nur im Orbit, wie eine wirkliche Armada. Ich muss zugeben, dass die List funktionieren könnte, aber weshalb sollte ein großer Mann wie der Weise Holtzman seine Intelligenz an solch einen Plan verschwenden? Dazu ist keine Wissenschaft nötig, nur die Kunst eines Dekorateurs.«
Sie ließ einen Suspensorsessel nach unten sinken, kletterte hinein und hob sich auf die passende Höhe am Tisch. »Deshalb habe ich dir geschrieben, Aurelius. Ich habe einen großen Teil meines Lebens mit der Arbeit an diesen Gleichungen verbracht, die den Faltraum beschreiben. Sie müssen ernst genommen werden. Dieses Projekt muss Realität werden, und ich bin die Einzige, die es schaffen kann.«
Keedair breitete die Hände auf der Tischplatte aus und sah sie mit glänzenden dunklen Augen an. »Geben Sie uns bitte eine grobe Zusammenfassung. Sagen Sie uns, was Sie sich vorstellen.«
Normas haselnussbraune Augen verengten sich. »In meinem Geist habe ich gewaltige Raumschiffe gesehen, die innerhalb eines Sekundenbruchteils unglaubliche Entfernungen überwinden können. Ich sehe mächtige Armeen, die in wenigen Augenblicken Lichtjahre zurücklegen können und die Denkmaschinen überraschen.«
Venport sah die Intensität in ihren Augen und spürte ihre Überzeugung und Aufrichtigkeit. »Ich glaube dir, Norma. Genug, um zu investieren, was immer du an Geld benötigst, auch wenn ich das Prinzip nicht verstehe.« Er lächelte. »Ich investiere in dich.«
Sie hatte zuvor grobe Schätzungen der Ausgaben vorbereitet, die nötig wären, um ihr Projekt zu finanzieren. Venport erhöhte die Zahl um die Hälfte, dann entschloss er sich, sie zu verdoppeln. Norma dachte nur selten an unvorhersehbare Verzögerungen und nebensächliche, aber kostspielige Details.
»Dein Dienst für den Weisen Holtzman ist beendet«, verkündete Venport. »Ich habe alles Nötige veranlasst, und du brauchst dir keine Sorgen mehr um ihn zu machen. Du kannst Poritrin jederzeit verlassen ... und arbeiten, wo immer du willst.«
Erfreut kam sie zu ihm, um ihn zu umarmen. Er liebte die Art, wie sie in ehrlicher Dankbarkeit lachte. Es gab nichts Unaufrichtiges an ihr. »Das ist sehr lieb, aber ich arbeite hier gern. Auf Poritrin. Ich bin seit siebenundzwanzig Jahren hier. Ich kann nicht einfach meine Sachen packen und woanders hingehen.«
»Warum nicht Rossak?«, fragte Keedair. »Sie kommen doch von dort, nicht wahr?«
Als er an Zufa Cevna und die unverhohlene Enttäuschung dachte, die sie über ihre Tochter zum Ausdruck gebracht hatte, schüttelte Venport den Kopf, noch bevor Norma antworten konnte. »Nein, ich glaube nicht, dass das eine gute Idee wäre.«
»Unsere anfänglichen Ausgaben wären kleiner, wenn wir nicht alles von diesem Planeten wegschaffen müssten«, gab der tlulaxanische Händler zu bedenken. »Und Sie haben die Garantie von Lord Bludd, richtig?«
Norma klopfte an ihre Schläfe. »Alles ist hier drinnen.« Sie wandte sich um und sah sehnsüchtig zu Venport auf, was ihm ein Gefühl der Wärme und des Wohlwollens gab. »Doch ich würde lieber nicht so viel Zeit und Mühe verschwenden. Gibt es keinen näheren Platz, wo ich einfach weiterarbeiten kann? Schließlich ist diese Welt trotz allem meine Heimat.«
Venport lächelte. »Das habe ich erwartet, und ich habe mich bereits nach einem neuen Arbeitsplatz für dich umgesehen – ein angemessenes Gebäude mit einer Menge Raum und Licht, mit allem, was du brauchst. Ich denke da an eine verlassene Mine mit mehreren Lagerhäusern und einer Erzverarbeitungsfabrik flussaufwärts in einer Nebenschlucht. Ich glaube, dort lässt sich eine Testanlage für ein Raumschiff einrichten.« Er hatte gewusst, dass Norma zu unabhängig war, um hier einfach die Zelte abzubrechen.
Keedairs Augen flackerten unruhig, als würde er komplizierte Kopfrechnungen anstellen. »VenKee hat die nötige Infrastruktur, um Ihnen das Kapital zur Verfügung zu stellen. Wir brauchen eine detaillierte Aufstellung, die zeigt, wie viel Sie anfangs auszugeben gedenken und wie hoch die monatlichen Kosten sind.«
Norma lächelte gequält, als würde sie lieber zu ihren Formeln zurückkehren, als sich mit solchen Themen zu beschäftigen. »In Ordnung, ich werde die voraussichtlichen Forschungs- und Entwicklungsbudgets berechnen, sobald Sie mir sagen, wann wir beginnen können.«
»Außerdem ist es unbedingt notwendig«, sagte Keedair nun entschlossener, »dass Sie das gesamte Projekt absolut geheim halten. Wir wissen bereits, dass der Weise Holtzman begierig darauf ist, Ihre Ideen und Patente zu stehlen. Wir werden ein luftdichtes Sicherheitssystem für alle Mitarbeiter des Projektes einrichten müssen. Ich schlage vor, dass wir eine private Söldnereinheit anheuern, die keine Bindung an Lord Bludd hat.« Er sah zu Venport auf, der mit einem Nicken antwortete.
Norma schien sich wegen dieser Komplikationen Sorgen zu machen, da ihr mathematischer Verstand nie an solche Probleme gedacht hatte. Venport drückte beruhigend ihre Schulter. »Norma, du hast bereits auf große Gewinne verzichtet, indem du Holtzman und Bludd das Geschäft mit den Körperschilden und tragbaren Störfeldgeneratoren überlassen hast. Es waren zumindest teilweise deine Ideen. Holtzman wäre von allein nie darauf gekommen.«
Sie wirkte überrascht. »Aber das waren meine Beiträge zu den Kriegsanstrengungen.«
»Und andere haben davon profitiert. Lord Bludd ist einer der reichsten Aristokraten der Liga, und das hat er dir zu verdanken. Ich will nicht, dass andere Leute dich weiterhin ausnutzen, liebe Norma ... aber wenn dieses Projekt mit VenKees privaten Investitionen fortgeführt wird, müssen wir alle Rechte daran haben. So läuft das Geschäft.«
»Ganz, wie du meinst, Aurelius. Ich vertraue dir. Wie schnell kannst du alles vorbereiten, damit ich mit dem Bau eines Prototyps beginnen kann? Und ich möchte meine neuen Laboratorien einrichten – so schnell wie möglich. Und so nahe wie möglich. In meinem Kopf habe ich längst alle Berechnungen abgeschlossen.«
Venport legte ihr einen Arm um die Schulter und eröffnete ihr den Gedanken, den er mit Keedair bereits besprochen hatte. »Es gibt eine Möglichkeit, die Dinge zu beschleunigen. Mein Partner und ich haben kürzlich ein altes Frachtschiff erworben, um unsere Handelsflotte auszubauen. Es befindet sich im Raumdock auf Rossak und wird dort zur Zeit repariert. Statt ein völlig neues Schiff zu konstruieren, könntest du ein existierendes ausbauen und es mit deinem neuen Antrieb ausstatten. Was meinst du? Keedair könnte es nach Poritrin bringen, wenn deine neuen Anlagen fertig sind.«
Er warf Keedair einen Blick zu, und der Tlulaxa nickte. Norma strahlte. Sie wirkte wieder jung, voller Energie und Begeisterung.
»Je früher, desto besser«, sagte sie.